13. Januar 2021

#9 Welpenblues

Er kommt öfter vor als man denkt und viele trauen sich aus Scham nicht darüber zu sprechen – der Welpenblues. Die liebe Nicole von ist.peppi.and.me hat vor Kurzem einen wunderbaren Beitrag zum Thema Welpenblues geschrieben, den viele kommentiert haben, denen es ähnlich ging. Da ich mich lange Zeit sehr allein mit diesem Thema fühlte, habe ich es nie angesprochen. Durch Nicoles Beitrag habe ich erkannt, dass es vielen so ging wie mir und dass dies ein Thema ist über das mehr gesprochen werden sollte.

Die Wunschvorstellung

Man ist 1a vorbereitet und holt seinen zuckersüßen Welpen ab, energiegeladen und voller Vorfreude. Das kleine Wesen ist direkt anhänglich aber dennoch eigenständig, liebt das Futter das man in wochenlanger Recherche ausgewählt hat, lernt Kommandos und neue Dinge in Blitzgeschwindigkeit und respektiert natürlich die Privatsphäre auf der Toilette. Auch ist man von Tag 1 an das tolle Mensch-Hund-Team, das man sich seit Monaten ausgemalt hat. Fehlanzeige.

Was wirklich auf mich zukam

Im Oktober 2015 kam Bonsay zur Welt und ich habe mich direkt in dieses kleine schokofarbene Wesen verliebt. Es war von Anfang an klar, dass ich ihn Mitte Januar 2016 bekommen würde, womit ich genau zwei Wochen Zeit gehabt hatte, ihn an mich und seine neue Umgebung zu gewöhnen. Auch wollte ich ihn am liebsten stubenrein haben, da ich im Februar meine neue Stelle antreten würde. In meinem Kopf war alles perfekt durchgeplant (so wie immer). An dem Tag, an dem ich Bonsay abholte, war ich einerseits total euphorisch und aufgeregt und andererseits auch extrem unsicher und ängstlich. Plötzlich hatte ich die Verantwortung für dieses kleine Geschöpf, das ohne meine Pflege vermutlich nicht lange überleben würde. Diese Tatsache war für mich anfangs eine große Belastung. Bonsay war als Welpe sehr anhänglich und hat mich nicht aus den Augen gelassen, was angesichts der Tatsache, dass er gerade von Mama und Geschwistern getrennt wurde, eigentlich absolut verständlich war. Für mich war diese plötzliche Nähe aber total überfordernd und darauf war ich eben nicht vorbereitet. Heute ist das natürlich anders. Dennoch ist Bonsay noch heute ein sehr anhänglicher, auf mich bezogener Hund.

Chihuahuas sind der Gruppe der Gesellschafts- und Begleithunde zugeordnet und eine der Rasseeigenschaften ist eine hohe Menschengebundenheit. Kein Wunder also, dass, vor allem Chihuahua-Welpen sehr anhänglich sind und ständig die Nähe zum Menschen suchen. Auch muss man bedenken, dass der Hund vom Wolf abstammt und Wolfsjunge in freier Wildbahn den Anschluss zum Rudel nie verlieren durften, dies hätte nämlich den sicheren Tod bedeutet.

Was mich am meisten überfordert hat, war, dass Bonsay mich niemals aus den Augen gelassen hat. Er ist mir überall hingefolgt. Was heute für mich ein Zeichen unserer engen Bindung ist, war für mich damals Überforderung pur. Ich fühlte mich so, als ob ich keine Privatsphäre mehr hätte. Auch litt ich nach zwei Wochen unter so extremem Schlafmangel, dass ich schon eine gewisse Grundgereiztheit hatte. Mit Bonsay musste ich nachts die ersten Wochen zwei- bis dreimal raus. Er wollte schon nach wenigen Tagen nicht mehr das Futter fressen, das die Züchterin uns empfohlen hatte und aß manchmal einen ganzen Tag lang gar nichts. Ich war super unsicher zu der Zeit und langsam fragte ich mich, ob ich dieser Aufgabe gewachsen war. Sollte ich ihn nicht besser zurückbringen? Was, wenn ich dieses kleine Wesen nicht richtig behandelte und ständig Fehler machte? Wäre er nicht woanders besser aufgehoben? All das waren Fragen, die in den ersten zwei Wochen tagtäglich durch meinen Kopf rauschten.

Der 1. Februar kam und ich hatte Bonsay (glücklicherweise) noch nicht zurückgegeben. Unser 1. Arbeitstag in der neuen Kanzlei stand uns bevor. Die Kanzlei war sehr klein und die beiden Chefs sowie meine drei neuen Kolleginnen freuten sich tierisch auf uns. Alle hatten zugestimmt, dass es in Ordnung sei, wenn ich meinen 14 Wochen alten Welpen mitbrachte. Während der Einlernphase konnte ich mich dann kaum konzentrieren und Bonsay war (natürlich) noch nicht stubenrein und pinkelte mindestens 20 Mal in die Kanzlei. Zu allem Überfluss verrichtete der kleine Herr dann einmal (ganz nach Bonsay-Manier) sein Geschäft unter dem Schreibtisch meines neuen Chefs. Dieser war zu meiner Überraschung komplett entspannt. Langsam fragte ich mich dann doch, ob nicht ich hier die Gestresste war, die alles viel zu eng sah. Und ja, das tat ich definitiv.

Wie es besser wird

Heute kann ich nicht mehr sagen, wann der Wendepunkt kam und ich alles entspannter sah. Was uns jedoch enorm guttat waren die Welpenspielstunden, bei denen wir unsere Mensch-Hund-Bindung extrem stärken konnten. Auch besuchte ich mit Bonsay Grunderziehungskurse, was uns weiterhin als Team festigte und uns sehr viel Spaß machte.

Nun kann ich mit Abstand erkennen, dass ich zu unentspannt war und zu hohe Erwartungen hatte im Hinblick darauf, wie perfekt und einfach alles wird. In meiner Vorstellung war Bonsay von Tag 1 mein Begleiter auf vier Pfoten und ich stellte mir vor, wie wir alles gemeinsam unternahmen, ohne dass es dabei jegliche Art von Komplikationen gab. Jedoch kann es einem Welpen schnell mal zu viel werden, wenn man ihn mehrere Stunden am Stück irgendwo mithinnimmt, wo er sich nicht auskennt oder einfach überfordert ist. Auch muss ein Welpe erst tiefes Vertrauen aufbauen, bevor man ein eingespieltes Team werden kann. Mir hat es zudem sehr geholfen, mich in Bonsays Lage zu versetzen. Er hatte jetzt nur noch mich und ich musste für ihn da sein und von nun an seine Mama sein. Auch der Gedanke daran, dass es mit der Zeit leichter wird, hat mir viel Mut und Kraft gespendet.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass ich bei Bonsay bei weitem nicht alles richtig gemacht habe. Was ich am meisten bereue ist, dass ich das Sozialisierungstraining nicht (noch) ernster genommen habe. Ich hätte erstmal einfache Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“ auslassen und mich stattdessen auf Bonsays Gewöhnung an seine neue Umgebung konzentrieren sollen. Vor was Bonsay noch heute am meisten Angst hat sind Kinder, Katzen und Müllbeutel (die Angst vor großen Hunden liegt bei ihm in den zwei Angriffen, die es auf ihn gab begründet). Was ich aber heute auch behaupten kann ist, dass sich das Durchhalten gelohnt hat und es definitiv die beste Entscheidung meines Lebens war, Bonsay zu holen. Ich liebe ihn wie mein eigenes Kind und wir sind inzwischen ein richtig gutes Team. Es gibt keinen Tag, an dem er mich nicht zum Lachen bringt. Mit ihm kann ich meine Liebe zur Natur so richtig ausleben und fast täglich mit ihm im Grünen Schabernack treiben. Wir sind richtige Pawtner geworden, die gemeinsam durch dick und dünn gehen.

Unsere Tipps gegen Welpenblues

1. Vorbereitung

Ich war trotz guter Vorbereitung gestresst und mag mir nicht ausmalen, wie es geworden wäre, wenn ich mich nicht vorbereitet hätte. Zur Vorbereitung gehören für mich zum einen folgende Dinge: Futter für die ersten Tage, Hundebett, Leine und Geschirr Zuhause zu haben und sich Fachwissen zum Thema „Hundehaltung“ oder speziell über „Chihuahuas“ angeeignet zu haben. Zum anderen finde ich auch eine emotionale Vorbereitung wichtig. Sich darauf einzustellen, dass das Leben mit einem Hund (am Anfang noch krasser mit einem Welpen) anders sein wird. Auch hier helfen Bücher oder YouTube-Videos von Menschen, die schon einen Welpen großgezogen haben.

2. Nimm dir den Druck

Dein Welpe muss nicht nach zwei Tagen Sitz, Platz und Pfote können. Das können Hunde selbst noch mit 5 Jahren lernen. Konzentriere dich in den ersten Wochen lieber auf das Sozialisierungstraining ohne deinen Welpen oder dich selbst dabei zu überfordern. Geht gemeinsam raus und habt Spaß die Umgebung zu erkunden und lasse deinen Welpen spielerisch alles kennenlernen, was ihn im erwachsenen Alter mal begegnen könnte. Damit könnt ihr direkt nach dem Einzug anfangen. Geht es nur, wie gesagt, entspannt und spielerisch an.

3. Sozialisierung is the Key

Beim Sozialisierungstraining gewöhnst du nicht nur deinen Welpen an seine neue Umgebung sondern ihr stärkt durch das Training auch eure Bindung. Zu diesem Thema wird es bald einen Blogartikel geben. Auch im CHIHUAHUA GUIDE ist das Sozialisierungstraining das Herzstück. Was ich zudem jedem – auch Chihuahuabesitzern – empfehlen kann, ist die Hundeschule zu besuchen. Für Bonsay waren es nicht nur die Kommandos, die er dort gelernt hat sondern, vor allem, die verschiedenen Hunde, Menschen und Bedingungen, die er dort kennengelernt hat. Da das gemeinsame Training auch dir Sicherheit und Zuversicht gibt, hilft es aus meiner Sicht sehr gut gegen den Welpenblues.

4. Akzeptanz

Es wird ganz anders werden als du dir es vorgestellt hast. Wenn du es schaffst, das zu akzeptieren, wirst du dir auch weniger Stress machen. Alles braucht seine Zeit und genauso ist es auch beim Welpen. Ihr werdet Zeit brauchen um eine enge Bindung aufzubauen und ein eingespieltes Team zu werden. Versuche die Reise dahin zu genießen. Und – vor allem – denk immer daran: dein Hund wird nur einmal ein Welpe sein und so anstrengend es manchmal auch sein mag, die Welpenzeit ist etwas ganz besonderes und du wirst dich dein Leben lang daran erinnern.

Schreibt uns gerne unter unseren Post welche Erfahrungen ihr mit dem Thema Welpenblues gemacht habt oder ob ihr euch einen Welpen zulegen wollt und deshalb auf diesen Blogartikel gestoßen seid. Wir freuen uns wie immer auf den Austausch mit euch.

Lisa & Bonsay